Klares Nein zum E‑ID-Gesetz
Die Schweizer Stimmbürgerinnen und ‑bürger wollen keine E‑ID, die von privaten Anbietern herausgegeben und vom Staat lediglich kontrolliert wird. Sie haben dem vom Bundesrat ausgearbeiteten und vom Parlament verabschiedeten E‑ID-Gesetz mit 64,4 Prozent Neinstimmen eine deutliche Abfuhr erteilt.
Resultat klarer als prognostiziert
Gemäss den Endresultaten aus den Kantonen erreichte das Bundesgesetz über die elektronischen Identifizierungsdienste (E‑ID) nirgends eine Mehrheit. Unter dem Strich lehnten 64,4 Prozent der Stimmenden die Vorlage ab. In absoluten Zahlen waren 1’777’100 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dagegen und nur 984’200 dafür.
In zwanzig Kantonen liegt der Nein-Anteil zwischen 60 und 70 Prozent. In Basel-Stadt sowie in der Waadt wurde das E‑ID-Gesetz mit 70,7 Prozent respektive 70,1 Prozent am wuchtigsten verworfen. Im Tessin (55,8 Prozent), in Zug (59 Prozent) sowie in Nidwalden (59,6 Prozent) war das Nein etwas weniger deutlich.
Die Ablehnung der Vorlage überrascht nicht, die Klarheit des Verdikts aber schon: Die Umfragen von SRG und Tamedia rechneten in den Wochen vor der Abstimmung mit einem Nein-Anteil zwischen 54 und 56 Prozent.
Breit abgestütztes Referendumskomitee
Nun muss der Bundesrat zurück auf Feld eins. Grundsätzlich hatte im Abstimmungskampf zwar kaum jemand etwas daran auszusetzen, die Digitalisierung voranzutreiben. Umstritten war aber die Rollenteilung von Staat und Privaten im Bundesgesetz über die elektronischen Identifizierungsdienste (E‑ID).
Mit dem Gesetz wollte der Bundesrat die sichere Identifikation von Personen im Internet ermöglichen. Nationale und kantonale Behörden argumentierten, dass so im Internet einfacher Verträge abgeschlossen oder Behördengänge erledigt werden könnten. National- und Ständerat verabschiedeten das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste im Herbst 2019 mit deutlichen Mehrheiten.
Das Referendum gegen die Vorlage wurde von der Digitalen Gesellschaft lanciert und von SP, Grünen, Piratenpartei, VPOD, Internet Society Switzerland, Verein Public Beta, Grundrechte.ch sowie Seniorenorganisationen unterstützt. Auch der Gewerkschaftsbund (SGB), Travail Suisse, die GLP, die EDU und die Junge EVP fassten die Nein-Parole.
Staatliche Lösung gefordert
Die Gegnerschaft kritisierte vor allem die Rolle der privaten Unternehmen, welche die E‑ID ausstellen sollen. Denn gemäss Gesetz wären die Bundesbehörden lediglich für die Identifizierung einer Person zuständig gewesen.
Es dürfe nicht sein, dass Daten in die Hände privater Firmen gelangten, die kommerzielle Interessen hätten, argumentierte das Referendumskomitee. Eine E‑ID sei nur dann vertrauenswürdig, wenn sie staatlich sei. Der Bund müsse also selber eine E‑ID anbieten und den Datenschutz gewährleisten.
Daten werden gelöscht
Die Befürworter des E‑ID-Gesetzes verwiesen dagegen auf die strengen Datenschutzvorschriften. Das Parlament habe den Datenschutz noch verstärkt. Auch der Eidgenössische Öffentlichkeits- und Datenschutzbeauftragte (Edöb) setzte sich für die Vorlage ein — auch weil seine Rolle mit dem neuen Gesetz gestärkt worden wäre.
Künftig sollte eine staatliche Kommission für die Anerkennung der Aussteller von E‑ID zuständig sein und diese auch beaufsichtigen. Konkret hätten die Anbieter einer E‑ID die Daten zur Person und Transaktion nicht zusammenführen oder für andere Zwecke verwenden dürfen. Zudem hätten die Transaktionsdaten nach sechs Monaten gelöscht werden müssen.
Eine gewisse Marktfreiheit für Anbieter sei gut und fördere den Innovationsgeist, hielten die Befürworter fest. Als Herausgeberin in den Startblöcken stand bereits die Swiss Sign Group, die die Swiss ID betreibt. Zum Konsortium gehören Post, SBB, Swisscom, Börsenbetreiber Six, Grossbanken und Versicherungen.
Digitalisierung vorantreiben
An die Stelle der Passbüros würden Unternehmen wie Banken und Versicherungen treten und die sensiblen Daten der Bürgerinnen und Bürger verwalten, warnten die Kritiker der Vorlage. Sie erachteten das Missbrauchspotenzial und die Risiken als zu gross, etwa bei einem Datendiebstahl.
Eine elektronische Identität sei unumgänglich, wolle die Schweiz nicht ins Hintertreffen geraten, hielten die Befürworter dagegen. “Das Schweizer E‑ID-Gesetz ist eine Chance, die wir nicht verpassen sollten”, appellierten verschiedene Kantone, Gemeinden und Städte. Sie verwiesen im Abstimmungskampf auch auf die Freiwilligkeit einer E‑ID. Der Gang an den Schalter werde bei einem Ja nicht verunmöglicht.
Meinung der AirVox-Redaktion
Die Umfragen prognostizierten zwar eine knappe Ablehnung. Das heutige klare Nein zur elektronischen ID kommt jedoch für viele eher überraschend. Es scheint nach wie vor, dass weder die Medien noch der Bund in der Lage ist, die Stimmung des Volkes korrekt einzuschätzen. Lieber lebt man in einer eigenen Realitätsblase, als anzuerkennen, was das Volk vom Staat erwartet. Dazu gehört nicht Bevormundung, Einschränkung und das Herunterfahren der Wirtschaft. Nein, die Aufgabe des Staats ist es, seiner Bevölkerung maximale Freiheit zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass diese in der Bundesverfassung festgeschriebene Freiheit für jeden Bürger auch in Krisenzeiten gewährleistet ist.
Der Staat soll sich deshalb endlich wieder auf seine Kernkompetenzen besinnen, und erkennen, dass er dem Volk zu dienen hat, und nicht umgekehrt. Dazu gehört auch ganz klar, dass er dafür sorgt, dass unsere privaten Daten nicht an fremde Firmen gelangen, sondern sicher vom Staat gegen Missbrauch und Weiterverkauf geschützt werden. Es ist wirklich zu hoffen, dass in Bundesbern endlich wieder erkannt wird, dass der Wille des Volkes der wichtigste Massstab für alle Handlungen der Politik sein muss.
Die klare Ablehnung ist in erster Linie ein gewaltiges Misstrauensvotum gegen die herrschende Ideologie der Wirtschaft (nämlich das Vermögen möglichst auf wenige Superreiche zu verteilen). Da die Politik, egal welchem Couleur sowieso nur noch dieser dient, gibt es wenig Hoffnung auf Besinnung in Bundesbern. Mag sein, dass diejenigen, welche das Referendum ergriffen ‘Digitalisierung’ nicht umbedingt kritisch gegenüber stehen. Andererseits hält offensichtlich eine gewaltige Mehrheit des Stimmvolkes eine E‑ID für komplett unnötig. Ganz im Ernst, wer profitiert von mehr Überwachungsmöglichkeiten (die uns als ‘Digitalisierung’ verkauft werden)? Wir ‘Normalsterblichen’ ganz bestimmt nicht…